Oliver Glasner im Interview: Der Trainer von Crystal Palace über die Conference League und Marc Guéhis Führungsqualitäten

Oliver Glasner, der mit Eintracht Frankfurt die UEFA Europa League gewann und Architekt des ersten großen Titels von Crystal Palace ist, hat für die erste große Europapokal-Saison der Eagles erneut hohe Ziele.
Glasner trat sein Amt bei Palace im Februar 2024 an, nachdem er im Sommer davor seine zweijährige Zeit in Frankfurt beendet hatte. Bis dahin hatte sich der 51-Jährige den Ruf erarbeitet, Erfolge zu liefern: Er führte die Eintracht zu ihrem ersten europäischen Titel seit 42 Jahren, als sie die UEFA Europa League 2021/22 gewann.
Die Erwartungen waren hoch, als er in Südlondon ankam, doch Glasner stellte sich der Herausforderung und führte die Eagles in diesem Frühjahr zu ihrem ersten großen Titel, indem sie Manchester City im FA-Cup-Finale mit 1:0 besiegten – und damit den Weg für ihren ersten Anlauf in einem großen europäischen Wettbewerb ebneten.
Der Österreicher setzte sich kürzlich mit der UEFA zusammen, um diese Triumphe Revue passieren zu lassen, die Lehren aus Palaces bisheriger UEFA-Conference-League-Saison zu ziehen und die stille Führungsstärke von Kapitän Marc Guéhi zu würdigen.
“Großartige Erinnerungen, großartige Zeiten und ein so aufregendes Finale, das wir mit dem letzten Elfmeter gewonnen haben“, sagt Glasner über den Europa-League-Sieg 2022, der nach einem Elfmeterschießen gegen die Rangers besiegelt wurde. “Sie haben in der Verlängerung per Elfmeter das [vermeintliche] 2:1 erzielt, aber es wurde aberkannt, weil einer ihrer Spieler zu früh in den Strafraum gelaufen ist – und dann haben wir die Europa League ungeschlagen gewonnen.
“[Wir hatten] eine tolle Gruppe von Spielern, ein großartiges Trainer- und Betreuerteam und einen unglaublichen Zusammenhalt. Es war so emotional, und es war eine Zeit, eine Reise, die ich niemals vergessen werde.”
Für Glasner fällt auch der Triumph im FA-Cup-Finale 2025 in die Kategorie “unvergessliche Gefühle”. “Ich bin wirklich froh, dass ich so etwas ein zweites Mal erleben durfte – etwas zu erreichen, womit niemand gerechnet hat, und so viele Menschen glücklich zu machen”, sagt er.
“Wir haben Crystal-Palace-Anhänger, die uns seit 60 Jahren unterstützen und niemals gesehen haben, dass wir etwas gewinnen. Wir waren nah dran im FA-Cup-Finale [2016], ein paar Minuten davon entfernt, aber wir haben es nicht geschafft.
Jetzt ist unser Traum wahr geworden. Letztendlich geht es nicht ums Geld – es geht um diese Emotionen, und das wird mir klar, wenn wir jetzt darüber sprechen. Wenn wir über das FA-Cup-Finale reden, fangen alle an zu lächeln: die Spieler, die Mitarbeiter und die Fans. Das bleibt für immer.
Das Gleich gilt, wenn du heiratest oder wenn deine Kinder geboren werden. Diese Momente bleiben für immer. Du wirst dich immer daran erinnern.”
Die Eagles genießen nun ihr Debüt in einem großen europäischen Wettbewerb. Obwohl sie zweifellos große Hoffnungen haben, zögert Glasner, zu weit vorauszublicken. Stattdessen fordert er von seinen Team, die Lehren aus einem durchwachsenen Start in die Gruppenphase zu ziehen, mit bislang zwei Siegen und zwei Niederlagen.
“Viele spielen zum ersten Mal gegen Mannschaften aus ganz Europa. Und das haben wir gesehen: Es sind harte Spiele”, erklärt er. “Wir haben gegen AEK Larnaca gesehen, dass man sehr dominant sein kann und trotzdem ein Spiel verlieren kann [mit 0:1]. In einer Gruppenphase mit sechs Spielen macht das vielleicht im Hinblick auf die Qualifikation für die nächste Runde nicht so viel aus, aber wenn man in die K.-o.-Phase kommt, ist es wichtig, in diesen Spielen effizient zu sein.
Auf der anderen Seite haben wir gegen Dynamo Kyiv [einem 2:0-Auswärtssieg] – und besonders gegen AZ Alkmaar [einem 3:1-Heimsieg] – gesehen, dass wir jedes einzelne Spiel gewinnen können. Wir bekommen im Moment also eine Menge Rückmeldungen, und all dieses Feedback aus jedem Spiel wird uns helfen, in diesem Wettbewerb immer besser zu werden.”
Neben Glasner werden die Palace-Spieler auch auf die Führungsqualitäten von Kapitän Marc Guéhi schauen, während sie sich den Herausforderungen des kontinentalen Fußballs stellen. Diese Tatsache freut Glasner, der dem englischen Nationalspieler großes Lob ausspricht.
“Ich würde sagen, er ist eher der stille Anführer”, merkt Glasner an. “Er ist nicht derjenige, der die ganze Zeit redet, aber er weiß, wann und mit wem er sprechen muss – und genauso ist er auch mit mir.
“Das ist großartig für einen Trainer – einen Kapitän zu haben, dem ich zu 100 % vertraue. Und ich würde ihm Entscheidungen überlassen, weil ich weiß, dass er immer nur das Beste für die Mannschaft will und dass er auch die richtigen Ideen und Gedanken hat, um dem Team zu helfen.”
Es sind nicht nur Guéhis Führungsqualitäten, die Glasner beeindrucken. Der Palace-Trainer hebt auch seinen herausragenden Beitrag zu einer Abwehr hervor, die in der vergangenen Premier-League-Saison 11 Mal ohne Gegentor blieb.
“Er ist so gut. Marc ist so gut. Ich habe viele Spieler trainiert, aber sein Spielverständnis ist außergewöhnlich. Seine Antizipation und sein Erkennen von Spielsituationen sind unglaublich.”
Auf der anderen Seite ist Jean-Philippe Mateta während Glasners Amtszeit eine prägende Figur gewesen. Der französische Stürmer erzielte in der vergangenen Saison 14 Ligatore und festigte seinen Status als Fanliebling durch sein fröhliches Auftreten abseits des Platzes sowie durch seine mittlerweile beliebte Torjubel-Geste – ein Kick gegen die Eckfahne, begleitet von einem aus den Zuschauerrängen erschallenden “Boom!”.
“Er ist ein großartiger Vollstrecker – mit dem linken Fuß, dem rechten und auch mit dem Kopf. Wir wollen ihn nicht auf der linken oder rechten Seite haben, denn dort trifft er nie, also wollen wir ihn im Fünfmeterraum, denn dort schießt er Tore”, sagt Glasner.
“Er arbeitet so hart und ist immer gut gelaunt, verbreitet positive Stimmung, lächelt und lacht ständig und genießt es, sodass die Stimmung sofort steigt, sobald er die Kabine betritt.”
Crystal Palace gastiert am Donnerstag, den 11. Dezember (21:00 Uhr MEZ) bei Shelbourne.



